Schule des Selbstvertrauens
Von Gertrud Schubert
Heilbronn - Wer will Buben sehen, die beglückt einen Knicks machen, Mädchen, die zitternd, aber stolz über einen Balken balancieren, Kinder, die Teller kreiseln lassen und Diabolos in die Luft schleudern? Der musste in die Wartbergschule gehen. Im Zirkuszelt der Familie Riedesel überschütteten Eltern, Tanten, Onkel, Omas, Opas und sogar kritische Geschwister die 200 Grundschulakrobaten mit nicht enden wollendem Beifall.
Eine Woche Zirkus, anschließend drei Galavorstellungen vor großem Publikum. Am Samstag noch ein Konzert mit den Dammrealschulrockern, damit auch die Hauptschüler an der Feststimmung teilhaben. Am Sonntag schließlich brachte Kabarettist Christoph Sonntag seine Fans zum Lachen und half so, das pädagogische Wunder zu finanzieren.
Alles echt
Einmal, so schwor es sich Rektor Ludwig Müller, als er vor zwölf Jahren seinen Dienst antrat, soll jeder Grundschüler Zirkusluft schnuppern dürfen. Nicht als bloßer Zuschauer. Nicht nur in einer FZG, Freizeitgemeinschaft der Ganztagsschule. Echte Zirkusluft, in der echten Manege, am echter Trapez und vor echtem Publikum.
Sogar der Applaus ist echt. Kichernd fordern ihn die Clowns ein, wenn sie eine Nummer ankündigen. Menschenpyramiden gilt es zu bestaunen, und mutige Kinder, die wie eine Fahne am Hochseil kreiseln, Trapezkünstler und Seiltänzer, Jongleure und Hula-Hoop-Tänzerinnen.
Ulrich Reischle fühlt sich als Vater von zwei Artisten − Raphael (7) und Lilian (10) − pudelwohl: "Dass sie sich was trauen! Vor so viel Publikum! Wie sich die Kinder einbringen!" All die vielen Eltern: Sie staunen nicht nur über den tollen Mut ihres Nachwuchses. Sie zeigen Respekt. Das ist Absicht.
"Verliebt ins Gelingen", ist ja eine bekannte pädagogische Floskel. Doch die Kinder lassen Teller fallen und straucheln. Was vorhin noch klappte, ist plötzlich wahnsinnig schwer. Warum ärgert sich keines, schmeißt wütend die Geräte in die Manege?
Das liegt am Zutrauen − "Du kannst das" − mit dem die Zirkusleute Zuversicht und Mut in den Kindern wecken. Geduldig haben sie eine Woche lang miteinander geübt. Geduld mit sich selbst haben sie gelernt. Und Selbstvertrauen. Das ist eine großartige Erfahrung, die Schule nicht allen bietet.
Foto s. stimme.de v. 04.07.2011